Ich stehe auf Sinnsprüche.
Und Sinnsprüche werden hier immer mal wieder zu finden sein!
Zum Beispiel auch der wichtigste Sinnspruch für uns Fotografen:
"Die beste Kamera ist die, die man dabei hat."Je mehr man über diesen - banalen? - Satz nachdenkt, desto bewusster wird einem die abgrundtiefe Weisheit die dahinter steckt.
(Darauf komme ich mit Sicherheit gelegentlich zurück!)
Mao-Tse-Tung war auch für manchen Spruch gut: " Dem Volke dienen", das klingt nicht schlecht.
Spaßvögel lesen "Dem Volker dienen"! Das würde dem so passen!
Die revolutionären Italiener sagen: "Servire il popolo" und hast Du's nicht gesehen wurde daraus: "Servire il pollo".
Wer mag nicht gerne ein mit Rosmarin und Thymian gebratenes Hühnchen?
Mao sagte auch, der Revolutionär solle im Volke "schwimmen wie ein Fisch im Wasser".
Nach dem "langen Marsch" schwamm er gern im Yangtse.
Allerdings, wenn ich mir dieses Foto"dokument" von 1966 anschaue, habe ich so meinen Zweifel, ob Mao tatsächlich mit den Fischen schwimmt.
Ob sein Kopf (und die der Anderen) einfach nur etwas schlampig aufs unscharfe Foto geklebt wurde?
Roland Barthes, Literaturkritiker, Schriftsteller und Philosoph, schrieb in seinem Buch Die helle Kammer. Bemerkungen zur Fotografie:
"Das Noema (Sinn-, Erkenntnisgehalt) der PHOTOGRAPHIE ist schlicht, banal, hat keine Tiefe: "Es ist so gewesen."Ist es tatsächlich so gewesen?
Der große Kollege und Straßenfotograf Robert Doisneau, musste ausgerechnet bei seinem bekanntesten Bild "Le baiser de l'Hotel de Ville" eingestehen, dass das Foto kein "candid-shot", kein
Schnappschuss, sondern eine nachgestellte Szene war.
Und wer in seinen Bildbänden blättert, dem fällt auf,
dass er für Kuss-Szenen ein auffallendes Faible hatte. Gab es da noch mehr "staged photography"?
Oder erinnern wir uns an das berühmte Foto des Magnum-Mitbegründers Robert Capa: "Dead of a loyalist soldier".
Dieses Foto war und ist der Auslöser für heiße Debatten darüber, ob es nun gestellt war oder "echt" ist.
Tatsache ist, ob gestellt oder nicht, dieses Foto war im Spanischen Bürgerkrieg von großer Bedeutung für den Kampf gegen die Faschisten.
Und gehört heute, wie Doisneau's Foto auch, zu den Bild-Ikonen unseres Jahrhunderts.
Erwarten wir wirklich von der Fotografie, dass sie uns ein objektives, unverfälschtes, naturgetreues Abbild von der Wirklichkeit liefert?
Vergessen wir nicht einfach, eine ganz wichtige Frage zu stellen?
Eine Frage, die Kurt Tucholsky 1930 (unter seinem Pseudonym Peter Phanter in seinem Aufsatz "Neues Licht") knapp und treffend formuliert hat:
"Wer fotografiert?"Und hinter dieser Frage steht eine ganze Reihe weiterer W-Fragen, die wir uns beim Betrachten von Fotos stellen sollten.
Vielleicht öffnet uns ein nachdenklicher Blick auf ein Bild von René Magritte die Augen.
"Dies ist keine Pfeife!"
„Ein Bild ist nicht zu verwechseln mit einer Sache, die man berühren kann. Können Sie meine Pfeife stopfen? Natürlich nicht! Sie ist nur eine Darstellung. Hätte ich auf mein Bild geschrieben, dies ist eine Pfeife, so hätte ich gelogen. Das Abbild einer Marmeladenschnitte ist ganz gewiss nichts Essbares."
Gilt das nur für die Malerei?
Und ist unser Auge das passende Werkzeug, ist das Sehen der richtige Sinn, um Schein und Wirklichkeit auseinanderzuhalten?
schrieb Antoine de Saint-Exupéry hellsichtig.
"Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."
Sollen wir - Liebhaber der Fotografie - unseren Gefühlen mehr trauen, als unseren Augen?
Riskieren wir einen frischen, unverstellten Blick auf die Wirklichkeit mit Gefühl und Verstand!
Ein schönes Wochenende mit Zeit zum Sehen, Fühlen, Fotografieren und Denken.
Thanks to Lars K. Christensen for an inspiring exchange of ideas.
Ein wunderbarer Artikel zum Wochenende. Danke.
AntwortenLöschenHello Martin
AntwortenLöschenA very interesting post. First of all I must admit that unfortunately I have never read the famous text by Barthes that you refer to. But at least in what you quote him for here, I think he’s wrong. It’s simply not meaningful to talk about the noema of photography in such general terms. Modern human beings are used to live in a world filled with inputs and impression from lots of different sources and with different, often conflicting content. Most of us constantly and more or less automatically evaluate these inputs in relation to a number of parameters, such as what is the context, who is the sender, etc. And we attribute different meanings - or noema - to different objects, according to these evaluations.
If we are reading a serious newspaper, and see a photo of hunger in Africa or war in Iraq, most of us expect it to reflect some kind of reality - that what we see has an existence outside the scope of a photo-session. If we see a picture on a billboard of a glamorous person advertising a new beauty product, most of us know it’s a totally different matter.
I’m not saying that press photography is not subjective or that advertising doesn’t work. What I’m saying is that we evaluate photos in relation to genres – and that different genres have different “rules”. Criticizing an art photo for being staged doesn’t make sense – criticizing a press photo for being staged makes very much sense.
What makes cases such as Doisneaus Le baiser and Capas Dead of a loyalist soldier controversial is that they seem to break the rules of the genre – in this case by being staged (Doisneau) or at least being accused of being so (Capa). Sometimes it works the other way around – as when “reality” is used in advertising, such as the use of refuges, AIDS-patients or starving children in Bennetton-campaigns.
What also happens is that a photo which was originally “born” into one context is sometimes transferred into another. Capa’s photo, which was originally "just" a report of a specific incident in the Spanish civil war, evolved into a sort of icon for the fight against Franco and fascism. And in this new context, the question of whether it was staged or not, is in fact of lesser importance. Doisneau’s photo became an icon for the joyful life in postwar Paris – and again, its connotations are no less powerful even now, when we know for sure that it was staged.
I’m not in favor of abandoning any claim to photography about being “real”. When a photographer presents his or her work as belonging to the documentary-genre, it’s only fair to expect that the photo lives up to the conventions of this genre, such as not being staged, manipulated, etc. On the other hand, absolute objectivity does not exist in photography. A photograph always shows a portion of the world, selected by the person who held the camera.
Maybe in the end it is this ambiguity, this inability of the photo to be neither totally objective nor totally subjective, which makes it such a fascinating medium?