Sonntag, 30. November 2008

Heulen und Zähneklappern

Mit schöner Regelmäßigkeit bricht unter uns "freien" Fotografinnen und Fotografen der große Weltschmerz aus - nicht ganz ohne Grund.

Die Lage der selbständigen "Knipser" in unserer Republik verschlechtert sich zunehmend: Fotoredaktionen suchen nicht mehr das "gute Bild" sondern das "billige Bild", Microstocks versauen die Agenturpreise und jeder der ein Fotohandy sein eigen nennt, macht heutzutage den Paparazzi.

Gerade weil einem so oft nach Heulen zumute ist, möchte ich hier den Text einer Kollegin dokumentieren, die versucht Mut zu machen und einen Ausweg aus dem Jammertal aufzuzeigen.


Liebe Kollegen,

alle Jahre wieder kommt auf unserer Liste eine Heularie über die furchtbaren Zustände in unsere Branche, der Abwärtstrend, die dunklen Aussichten.

Jammern ist ja auch eine typisch deutsche Eigenschaft und so ein dunkler Monat wie der November scheint es zu unterstützen. Aber wenn ich all diese Emails so lese, frage ich mich, was möchten viele meiner Kollegen? Den Bentley des Verlegers fahren vielleicht?
Aber dann wundere ich mich, warum seid ihr dann nicht Verleger geworden? Als Fotograf wurde man in der Regel noch nie reich. Und wenn das fette Leben das Ziel ist, dann hätte man doch von vornherein einen anderen Beruf wählen können.

Und zweitens frage ich mich, ob viele wollen, dass die Zeit stehen bleibt. "Früher war alles besser". Ist doch völliger Quatsch.
Heute ist genauso gut wie gestern. Und morgen wird auch so sein. Die Frage ist doch, wie gehe ich mit dem "heute" um. Das Leben hat sich immer verändert, manche Dinge zu Besseren, manche zum Schlechteren. Wäre ja auch entsetzlich wenn sich nichts verändert. Dann säßen wir noch in Höhlen und Fotografie gäbe es gar nicht.

Heute wird man vielleicht nicht mehr von Geo für 5 Wochen in der Regenwald geschickt, um in aller Ruhe Volksstämme zu erforschen. Aber heute kann ich problemlos meine eigenen Themen fotografieren, ohne Filme, Entwicklung etc. bezahlen zu müssen.
Dann lade ich die Fotos auf meinen Blog, Server, was auch immer, frage befreundete Fotografen irgendwo in der Welt um Rat, und kontaktiere dann potenzielle Kunden, die einen Blick auf meine Seite werfen können. Noch nie war Anbieten und Verkaufen so einfach.

Statt zu weinen, dass sich die Welt verändert, suche ich KOSTENLOS im Internet und erforsche wie der Markt sich ändert, was ist gefragt, was nicht.

Kleines Beispiel:
http://www.lemonde.fr/asie-pacifique/visuel/2008/11/17/voyage-au-bout-du-charbon_1118477_3216.html

Noch nie war Marktrecherche so einfach und so billig. Ich muss dafür keine Magazine mehr kaufen, ich muss noch nicht einmal das Haus verlassen. Ein paar Mausklicks und ich weiß was Fotograf X im Land Z treibt. Das ist genial!

Noch nie gab es so viele Fotofestivals, Stipendien, Fördergelder usw. für Fotografen wie heute!

Seht doch mal das Positive! Und lebt mit der Zeit. Der Markt ändert sich, also ändere ich mich und meine Strategien auch! Das mag anstrengend sein, aber wer hat gesagt, das Geldverdienen leicht ist.
Und wir sind doch eigentlich vom Glück geküsst, unser Beruf macht Spass! Ich würde mich erschießen, wenn ich jeden Tag, in ein miefiges Büro müsste, die gleichen Miefgesichter jeden Tag. Die jammern nämlich auch, irgendeinen Grund findet der Deutsche nämlich immer. Auch der Verleger mit Benz.

Ich bin glücklich Fotografin sein zu dürfen! In guten wie in schlechten Zeiten.

Amen
Claudia



Claudia Wiens ist Mitglied bei FREELENS und arbeitet seit 8 Jahren als freie Fotografin in Kairo, Ägypten.

1 Kommentar:

  1. Sehr treffend, aber jammern ist immer noch einfacher als sich zu verändern. Schuld sind sowieso immer nur die Anderen...

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